Geschichtliches von Lindkirchen
(Auszug aus der Festschrift des Schützenvereins “Fröhlichkeit” Lindkirchen e.V. anlässlich der
Feierlichkeiten zum 100-jährigen Gründungsfest am 31. Mai 2008; recherchiert von Robert März)
Unser Ort wird erstmals 1116 als „Lintchirchen“ in der Urkunde KU 3 des Klosters Benediktbeuern schriftlich
erwähnt. Dieses Schriftstück wird auch als „Elsendorfer Urkunde“ bezeichnet. Das Original befindet sich heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München.
Ausschnitt aus der „Elsendorfer Urkunde“ von 1116
Die Urkunde bestätigt den Eintritt des Adeligen Ulrich von Elsendorf (geschrieben „Elsindorf“) mit seiner Frau
Kunigunde und Tochter Richinza im Jahre 1116 in das Kloster Benediktbeuern. Mit dem Eintritt vermachte Ulrich
seine zahlreichen Güter dem hl. Benedikt im Kloster Benediktbeuern. Unter den Gütern Ulrichs, die 1116 nach Benediktbeuern übertragen wurden, befanden sich auch einige in Lindkirchen.
Im Jahre 1125 verließ jedoch Ulrich von Elsendorf Benediktbeuern nach Vertreibung des dortigen Abtes und trat in das
Kloster Admont in der Steiermark ein. Zugleich widerrief er seine Schenkungen an Benediktbeuren und übereignete
dem neuen Kloster seinen ganzen ehemaligen Besitz. Hierüber kam es zu einem jahrzehntelangen Streit zwischen den
beiden Klöstern, den 1146 der Erzbischof von Salzburg zugunsten von Kloster Admont entschied. Benediktbeuern
verzichtete allerdings erst im Jahre 1161 endgültig auf die Güter Ulrichs gegenüber Admont. Das Kloster Admont
errichtete in Elsendorf eine Probstei, zu der die Güter aus Lindkirchen für eine lange Zeit gehörten.
Der Ortsname von Lindkirchen lässt sich ab dem beginnenden 12. Jahrhundert mehrmals schriftlich belegen (als
„Lintchirchen“ 1116 in der „Elsendorfer Urkunde“ des Klosters Benediktbeuern und 1123-1137 in den Traditionen des
Hochstiftes Freising, als „Lintkirchen“ um 1147 in den Traditionen des Klosters Biburg). Der Ursprung des Dorfes
dürfte aber um einige Jahrhunderte früher liegen. Für die Entstehung der auf –kirchen endenden Orte wird die Zeit des 8. bis 9. Jahrhunderts n.Chr. angegeben.
Der Ortsname „Lindkirchen“ leitet sich wohl ab von einer Kirche bei der Linde bzw. den Linden. Im Zuge der
Christianisierung unseres Landes war es eine bewährte Missionsmethode, die bisher heidnischen Kultstätten in Orte
des christlichen Glaubens umzuwandeln. Die Bereitschaft zur Ãœbernahme des Christentums sollte auf diese Weise
erhöht werden. Bezogen auf unser Dorf wurde offensichtlich an einer solchen, mit Linden bewachsenen Kultstätte
eine Kirche errichtet. Bäume galten in heidnischer Zeit als heilig. Das Herleiten des Namens „Lindkirchen“ vom
althochdeutschen Wort “lint“ (Drache, Lindwurm) und die Bezeichnung eines Ortes „Dort wo der Lint, der Lindwurm haust“ kommt weniger in Frage.
Eine Kirche in „Lintkirchen“ wird 1177 in einer Urkunde Kaiser Fried-
richs I. zusammen mit einem Hof als Besitz des Klosters Biburg erwähnt. Die Benediktiner von Biburg übten bis 1485
das Patronatsrecht über unser Gotteshaus aus. Mit Seyfried kennen wir aus dem Jahre 1290 erstmals auch den Namen eines Lindkirchener Pfarrers.
Die jetzige Pfarrkirche ist ein Bau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Vorgängerbau ("ein uralt zum Einfallen
hergerichtetes Gebäu") war am 20. April 1748 vom einfallenden Turm zertrümmert worden. Mit dem Bau der neuen
Kirche wurde 1752 begonnen. Die Hauptbauzeit fiel in die Jahre 1754-56 unter Pfarrer Johann Peißinger, der auf
seinem Grabstein als "Erbauer der Kirche" bezeichnet wird. Geweiht wurde sie am 8. August 1756 vom Regensburger Weihbischof H.H. Georg Freiherr von Stinglheim.
Die Linden von Lindkirchen waren nicht nur mitbestimmend für die Namensgebung unseres Ortes. Ihnen kam auch
die entscheidende Rolle für die Bedeutung zu, die das Dorf Lindkirchen in der Vergangenheit hatte. Seit ältester Zeit
fanden häufig unter Linden Gerichtsverhandlungen statt. Auch die Linden unseres Dorfes waren Gerichtslinden.
Lindkirchen hatte für die Umgebung die Bedeutung eines Gerichtsortes. Es war früher eine sog. Thingstätte, oder
auch Dingort genannt. Als Thing oder Ding wird die mittelalterliche Gerichtsversammlung unter dem Vorsitz des
Grafen bezeichnet. Sie fand immer öffentlich, unter freiem Himmel und am Tage statt. Erscheinen musste alles, was in der Grafschaft Rang und Namen hatte.
In den 50er und 60er Jahren des 12. Jahrhunderts finden wir Lindkirchen in den Traditionen, das sind
Schenkungsbücher, der Klöster Biburg, Rohr und Weihenstephan als Gerichtsort des Wittelsbacher Pfalzgrafen
Friedrich erwähnt. Die Wittelsbacher besaßen zu dieser Zeit in der Hallertau eine Grafschaft. Lindkirchen war ihre
Thingstätte für die mittlere Hallertau. Friedrich, ein Bruder Graf Ottos, des späteren ersten Herzogs von Bayern aus
dem Hause Wittelsbach, war der für unser Gebiet zuständige Gerichtsherr. Die Gerichtsszene, die in den Büchern des Klosters Biburg beschrieben wird („in placito domini Friderici palatini comitis aput Lintkirchen“) fand in den Jahren
1166-1168 statt. Im Beisein einer Vielzahl von Adeligen aus der Gegend, die als "bei den Ohren gezogene Zeugen" dem Gerichtstag beiwohnten, wurden Schenkungen zugunsten des Klosters Biburg vorgenommen.
Die hervorgehobene Stellung unseres Dorfes als Ort der Rechtssprechung fand im späten Mittelalter ihre Fortsetzung.
Die Bedeutung von Lindkirchen als Gerichtsstandort blieb somit über mehrere Jahrhunderte erhalten.
Kurz vor 1279 erwarb Herzog Ludwig der Strenge vom letzten Grafen von Rottenegg die Feste Mainburg auf dem
Salvatorberg. Sie wurde Sitz eines wittelsbachischen Pfleg- und Landgerichts. Die Verhandlungen fanden in Mainburg und an der Schranne in Lindkirchen statt. Eine Gerichtsordnung aus der Zeit um 1450 beschreibt das
Zusammenwirken der Richter aus Mainburg und Ratzenhofen an der Landschranne in Lindkirchen:
"Item das ist des Landgerichts Recht zu Mainberg, wie sich die Herrschaft zu Ratzenhofen hinein halten soll auf die
Landschranne zu Lindkirchen, zu dem ersten, wenn ein schädlicher Mann in der Herrschaft zu Ratzenhofen gefangen wird,
denselben Mann den soll der Richter zu Ratzenhofen führen gen Lindkirchen auf die Landschranne... .
Item es ist zu merken, dass zwei Galgen sollen stehen auf dem Berg zu Lindkirchen, und soll des Landgerichts Galgen oben
auf dem Berg stehen, so soll der Herrschaft Galgen zu Ratzenhofen unten darunter stehen, an dem Berg."
Die beiden Galgen befanden sich auf der Anhöhe zwischen Lindkirchen und Meilenhofen. Die dortige Flur trägt heute
noch den Namen Galgenberg.
Die jetzige Linde vor dem Wirtshaus in Lindkirchen soll im Jahre 1695 gepflanzt worden sein. Gastwirt Martin
Schönhuber veranstaltete im Juli 1925 ein 230-jähriges Lindenfest. Die Linde hat zwar ihre Bedeutung für die
Umgebung verloren, für unser Dorf bleibt sie aber der Mittelpunkt und zusammen mit dem Wirtshaus und Gotteshaus
auf dem Kirchberg dessen markantes Wahrzeichen. Nicht umsonst steht das ganze Ensemble mittlerweile unter Denkmalschutz.
Der Hollerdauer Berichterstatter vom 23.7.1925
Wie muss man sich Lindkirchen in der Vergangenheit vorstellen ?
Aus dem Jahre 1817 liegt ein erster Straßen– und Häuserplan unseres Dorfes vor. Erstaunlicherweise hat sich das
damalige Ortsbild von Lindkirchen nahezu unverändert bis in die heutige Zeit erhalten. Nach dem 2. Weltkrieg kamen
lediglich im Süden unseres Dorfes die Auen– und Reckerbergstraße hinzu. Lindkirchen blieb immer ein eher kleines Dorf mit einer beherrschenden Pfarrkirche auf dem Kirchberg.
In Lindkirchen existierte kein Herrschaftssitz wie in unseren Nachbarorten Leitenbach und Meilenhofen. Beide Orte
waren eine sog. Hofmark, die sich im Besitz adeliger oder geistlicher Herren befand. Alle Anwesen des Dorfes
unterstanden dort den Hofmarksherren. Lindkirchen hingegen kannte keinen einheitlichen Grundherren, es war sog.
Streubesitz. Die Anwesen gehörten früher größtenteils den Bauern nicht selber, sondern befanden sich im Eigentum
eines Grundherren. Die Grundherrschaft wurde endgültig erst 1848 aufgehoben. Auffallend in Lindkirchen ist der Wirtshof, der einen Komplex darstellt aus vier Einzelhöfen unter drei verschiedenen Grundherren.
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